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Thorsten Hellwig
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Jan erzählte niemandem von seinen nächtlichen Erlebnissen, außer seinem Freund Felix. Seine Eltern hätten die kühne Geschichte, die der Löwe Hans schilderte, sowieso nicht geglaubt, weil Eltern manchmal so erwachsen sind, dass man sich ein bisschen Sorgen um sie machen muss. Eltern denken immer, sie wären diejenigen, die auf ihre Kinder aufpassen und ihnen die Welt erklären müssten, doch oft genug ist es genau umgekehrt. Das soll uns aber nicht weiter stören. Jedenfalls ist es gut, wenn man ein Geheimnis für sich allein hat und das aber mit einem anderen, am besten mit seinem besten Freund oder seiner besten Freundin, teilen kann. Felix war Jan` s bester Freund, deshalb erzählte er ihm auch die Geschichte. Er begann ganz zu Anfang, wie er sich bei Vollmond im Bett herumgewälzt und nicht schlafen gekonnt hatte und wie er dann eine Stimme vernommen hatte, von der er zuerst glaubte, es sei sein Kissen gewesen. Schließlich gelangte er zu dem Punkt, an dem die Tiere ahnten, dass Mutter Erde auseinander bräche. Zuerst wollte Felix die phantastische Geschichte des sprechenden Stofftierlöwen Hans nicht glauben, aber dann war er Feuer und Flamme.
„Jan, sag mal, meinst du nicht, ich könnte beim nächsten Vollmond bei dir schlafen?“
Jan überlegte einen Moment.
„Ich weiß nicht, ob Hans das mag. Er ist ein bisschen komisch. Ich glaube, er ist ein Divan.“
„Aha, was macht ein Divan?“
„Ein Divan denkt, er ist etwas ganz Tolles und bekommt Extrawürstchen gebraten.“
„Aber Hans ist doch auch etwas ganz Besonderes, er kann schließlich Geschichten erzählen.“
„Das stimmt. Vielleicht versuchen wir es einfach.“
So schaute Jan auf dem Kalender nach, wann das nächste Mal Vollmond sein würde und siehe da, der Mond käme an einem guten Tag, nämlich an einem Samstag.
„Mamaaaah, darf Felix am Wochenende bei uns schlafen?“, fragte Jan seine Mutter.
„Mamaaaah, darf ich bei Jan am Wochenende schlafen?“, fragte Felix seine Mutter.
Und wer so schön fragt und das Wort Mama auseinander zieht wie ein Akkordeon, dem wird das auch erlaubt.
Also, samstag abend um Sechs bei Jan.
Beide waren gespannt wie ein Flitzebogen.
Normalerweise kämpften Jan und Felix um jede Minute, die sie länger aufbleiben durften. An diesem Samstag war alles anders. Jans Mutter runzelte die Stirn und hob die Augenbraue, als ob sie ahnen würde, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Aber sie ließ es geschehen. Was sollte schon passieren?
Jan und Felix wollten zusammen in Jans Bett schlafen, das zum Glück groß genug war. Hans starrte wie immer an die Decke, links von ihm Jan, rechts Felix. So lagen sie nebeneinander und warteten. Der Vollmond versteckte sich heute hinter einer mächtigen Wolkenwand. Kein Mondlicht durchdrang das dichte Knäuel. Der Wind segelte gemächlich über die Baumkronen. Irgendwo kläffte ein Hund.
Die beiden waren so aufgeregt, dass an Schlafen nicht zu denken war.
„Meinst du, dass er gleich zu erzählen beginnt?“, flüsterte Felix.
„Ich weiß es nicht, vielleicht sagt er auch kein Wort, weil er sieht, dass wir zu Zweit sind. Kein Ahnung.“
Jan und Felix lagen mucksmäuschenstill im Bett und warteten ab. Doch nichts passierte. Hans sagte kein Wort. Felix konnte man die Enttäuschung im Gesicht ablesen, obwohl es stockdunkel war. Jan hoffte immer noch auf ein Zeichen. Der Mond durchbrach die Wolkendecke. Hans ließ sich nicht aus seiner Starrheit erwecken. Eine Kirchturmuhr schlug elf Mal.
„Vielleicht musst du das Bett verlassen. Vielleicht wird er nur dann wach, wenn ich alleine neben ihm liege.“
Felix legte sich mit seiner Decke auf den Boden.
„Hans, bist du wach?“, fragte Jan.
Doch Hans schwieg. Jetzt war guter Rat teuer wie ein Klumpen Gold.
Jan dachte nach: „Hans hatte ihn immer erst dann angesprochen, wenn er sich im Bett herumgewälzt hatte. Vielleicht musste er ihm auf die Nerven gehen.“ 
Jan flüsterte Felix seinen Plan ins Ohr, damit Hans nichts davon mitbekam. Flink kletterte Felix wieder ins Bett. Dann warfen sie sich gemeinsam von links nach rechts und wieder zurück, dass es eine wahre Pracht war zuzuschauen.
Es dauerte kaum länger als eine Minute, da begann wie gewohnt das Gemurre von Hans.
„Du gehst mir auf die Nerven. Was ist denn in dich gefahren?“
Der Stofftierkopf bewegte sich und sah zwei Jungenköpfe.
„Auch noch zu Zweit. Wollt ihr mich umbringen?“
„Nein, keineswegs. Wir sind nur froh, dass du noch lebst.“
„Warum sollte ich denn nicht leben?“
„Hmmm, weiß ich auch nicht“, sagte Jan und wusste für einen Moment nicht, was er jetzt sagen sollte. „Darf ich dir vorstellen, dass ist Felix, mein bester Freund.“
„So so. Ich habe keinen besten Freund“, sagte Hans und hoffte auf Mitleid.
„Aber du hast doch uns.“
„Ja, aber das ist etwas anderes. Aber ich will nicht klagen“, seufzte Hans hingebungsvoll.
Natürlich wollte Hans klagen. Derjenige, der sagt, dass er nicht klagen möchte, klagt immer. Das war und ist ein Gesetz.
„Ich hätte so gerne einen besten befreundeten Stofftierlöwen oder einen richtigen Löwen. Ach, ich armer Kerl.“ Hans seufzte einen zwei Meter hohen Seufzer und übertrieb damit maßlos.
„Erzählst du uns eine Geschichte?“, fragte Jan vorsichtig.
„Ach“, antwortete Hans bloß.
„Bitte, bitte, ich freue mich schon die ganze Zeit darauf“, sagte Jan.
„Ich auch“, sprang ihm Felix bei.
„Ach“, lautete die Antwort.
Es blieb das letzte Mittel. Kraulen. Jan begann an Hans´ Kehle.
„Ach. Das ist aber schön. Nicht aufhören. Immer weitermachen.“
So machte Jan erstmal weiter. Felix löste ihn ab. Hans genoss sein Leben und schnurrte. Er hatte anscheinend auch vergessen, dass er eigentlich eine Geschichte erzählen sollte.
„So, jetzt wird aber eine Geschichte erzählt“, sagte Jan bestimmt.
„Schade. Wo waren wir denn stehen geblieben?“
„Der Löwe war von dem Vulkan hinab gestiegen. Ohne Ergebnis.“
„Jetzt, jetzt erinnere ich mich auch wieder. Also, es ging so weiter…“
 
„Die Tiere fragten sich, warum Mutter Erde wohl keine Lust mehr hatte, so zu bleiben, wie sie seit Tieres Gedenken gewesen war. Es gab viele Ideen und Gedanken: Vielleicht fühlte sie sich zu eingeengt in ihrer Hülle. Vielleicht spannte das eine große Land auf Mutter Erde wie ein zu klein geratener Mantel auf einem zu groß geratenen Menschen, so dass sie gar nicht anders konnte. Vielleicht verspürte sie aber auch einfach Lust, aus einem riesigen, ein paar halbriesige Länder zu machen. Keiner wusste es.
Passiert ist eben passiert. Und Mutter Erde war auseinander gebrochen. Leise, ganz leise, kaum merklich hatten sich Risse gezeigt, die langsam wuchsen.

Der Löwe lag schicksalsergeben unter seinem Baum und regierte mit ruhiger Hand. Am Anfang war er etwas traurig darüber, dass er die einzige Aufgabe, die ihm je gestellt worden war, nicht bewältigen konnte, aber das war schon wieder eine weitere Zeitlang her. Die Botentiere unterrichteten ihn über den neuesten Stand der Dinge, auch darüber, dass man die Teile, die bei der Spaltung des einen Landes entstanden waren, Kontinente nennen wollte. Der Name war aus heiterem Himmel auf die Erde gefallen. Dort fand ihn eine Elster. Weil der Name wie ein Sonnenstrahl schimmerte, trug ihn die Glitter und Glitzer liebende Elster in ihr Nest. Sie krächzte überall herum, sie habe den Namen „Kontinent“ entdeckt, der unbeschreiblich glänzend sei, dass sie eines der großen neuen Länder nach ihm benennen wolle. Aber die Elster gehört zu den Vögeln, die sich wichtiger nehmen als sie eigentlich sind. Mag sie noch so schön aussehen mit ihrem schwarz-weißen Gefieder, entscheiden darf die Elster nichts. Eigentlich. Andererseits hatte auch keiner eine bessere Idee, deshalb nannten die Tiere nun alle Länder Kontinente. Auch der Löwe fand, dass das ein guter Name sei.

Die Kontinente hatten, obwohl sie nur noch Teile des früheren riesigen Landes waren, eine schier unendliche Größe, so dass sich keiner wirklich an ihren zu kleinen Ausmaßen stören mochte. Vielleicht nahm auch keiner die Gefahr der Trennung wahr, weil die Kontinente noch so eng beieinander lagen, wie kleine, frierende Hunde nach der Geburt. Man konnte mal eben hinüber springen. Einfach so. Doch die Kontinente bewegten sich langsam auseinander.
Mutter Erde verlieh den Kontinenten eigene Namen, weil sie das Recht dazu hatte. Denn sie war schließlich diejenige gewesen, die die Kontinente geschaffen hatte. Darüber hinaus wollte sie sie besser unterscheiden können.
So taufte sie die Kontinente auf die Namen Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa, indem sie auf jeden eine mittelgroße Welle schwappen ließ. Dazu säuselte ein Wind, den Mutter Erde geschickt hatte, feierlich die Namen.

„Warum beginnen alle Kontinente mit dem Buchstaben A, nur Europa nicht?“, wollte Felix wissen.
Jan überlegte auch, aber er fand keine Erklärung.

Hans räusperte sich kurz:
„Das ist ganz einfach. Ursprünglich wollte Mutter Erde Europa Auropa nennen, weil Europa bei der Trennung von den anderen Kontinenten am meisten geächzt und gestöhnt hatte. Manch einer glaubte sogar, hie und da ein „Au“ in dieser Zeit gehört zu haben. „Au“ hätte auch insofern gut gepasst, als so alle Kontinente mit einem „A“ hätten beginnen konnten. Aber Auropa beschwerte sich – verständlicherweise. Wer will schon so heißen, wie jemand, der immer Schmerzen hat. Deshalb taufte es Mutter Erde kurzerhand in Europa um. Und weil das schön klingt, ist es bis heute so geblieben. Das ist die Erklärung.“
Jan und Felix nickten. Das macht Sinn.
„Kann ich jetzt weiter erzählen oder gibt es noch Fragen?“ Hans spielte sich wieder ein bisschen auf.
„Erzählt weiter“, baten Jan und Felix, weil sie unbedingt wissen wollte, wie es wohl weitergehen würde.

„Damit jeder wusste, wo er sich gerade aufhielt, hatte Mutter Erde riesige Buchstabenwolken am Himmel aufgehängt, die die Namen bildeten. Für die meisten Tiere war das eine gute Orientierung, weil sie gut lesen konnten. Nur der Maulwurf und die Blindschleiche mussten sich immer wieder erklären lassen, wo sie sich gerade aufhielten. Der eine sah fast, die andere gar nichts. Da half es wenig, dass die Buchstaben am Himmel hoch wie Wolkenkratzer waren.

Eines Tages überbrachte ein Botenschwein dem König die Nachricht, dass sich die Kontinente wieder ein paar Zentimeter voneinander entfernt hätten. Der Löwe lebte zu dieser Zeit wie heute auch in Afrika.
„Willst du eigentlich hier in Afrika bleiben, Majestät?“, fragte das Schwein unvermittelt.
Der Löwe schaute etwas verwirrt drein und fragte, warum er denn weg solle.
Das Botenschwein holte tief Luft: „Wenn Afrika von Europa so weit entfernt ist, dass man nicht mehr hinüber springen kann, kommen nur noch die Vögel und die wirklich guten Schwimmer auf den jeweils anderen Kontinent. Das heißt, wir Landtiere müssen uns jetzt entscheiden, wo wir in Zukunft leben wollen. Und du bist unser aller König, du musst eigentlich überall sein.“
„Probleme, Probleme, wo man hinschaut!“, dachte der Löwe und seufzte innerlich.
„Interessante Neuigkeiten!“, sagte der Löwe und tat so, als ob es ihn wirklich interessierte.
„Was könnte ich wohl machen?“, fragte der Löwe und hoffte auf eine bequeme Lösung.
Weil er oft zu faul war, selbst seinen Kopf anzustrengen, ließ der Löwe gerne seine Untertanen für ihn mitdenken. Die wiederum freuten sich, wenn sie ihrem König einen Vorschlag unterbreiten durften, weil es ihrem Stolz schmeichelte. Somit war allen gedient.“

„So hätte ich das auch gerne. Dass in der Schule die Lehrerin für mich denkt. Ich…“
„Pssst“, unterbrach Felix Jans Überlegungen.
„Ist ja schon gut.“
„Darf ich weitermachen, ihr Schwatzbasen?“
Hans musste schon wieder überlegen und legte seine Stoffstirn in Falten. Noch bevor er fragen konnte, sagte Jan, dass der Löwe gerade mit einem Botenschwein gesprochen hätte, dass ihn überreden wollte, alle Kontinente zu besuchen.
„Ach ja, richtig“, sagte Hans, „Sag das doch gleich.“

Das Schwein schlug dem Löwen vor, doch einmal alle Kontinente anzuschauen. „Dann kannst du dich entscheiden, wo du wohnen möchtest.“
 „Ja, so etwas in der Art habe ich mir auch schon überlegt. Ein wirklich guter Vorschlag, liebes Botenschwein. Du siehst, wir haben ähnliche Ideen.“
Das Schwein war arg geschmeichelt, weil der König anscheinend ähnlich dachte wie es selbst.
Der Vorschlag hörte sich spannend an, beinhaltete aber auch, dass der Löwe über eine längere Zeit auf den Beinen wäre, was er nicht wirklich mochte. Er war schließlich kein Kamel, das am liebsten den ganzen Tag durch die Wüste spaziert oder eine Giraffe, die sogar im Stehen schläft. Aber trotzdem gab es im Leben des Löwen neben all der Bequemlichkeit und Faulheit etwas, das ihn ab und an in Schwierigkeiten brachte, wenn er Entscheidungen zu treffen hatte: Er war nämlich neugierig wie ein Zeitungsreporter.
Wenn der Löwe zwischen Für und Wider zu wählen hatte und nicht wusste, was zu tun sei, spielte sich Folgendes ab: Auf seiner rechten Schulter saß eine kleine, hässliche Hyäne mit zwei Hörnern und auf der linken eine schöne Antilope mit lieblicher Stimme. Die Beiden stritten sich die ganze Zeit:
„Versuche es, das ist eine gute Gelegenheit! Reisen bildet und macht schlau!“, warb die Antilope für die Reise auf die anderen Kontinente.
Die Hyäne lachte: „So ein Quatsch! Bleib zu Hause! Hier ist es am schönsten. Was willst du denn bei den blöden Europäern und den ganzen ausländischen Tieren? In Afrika spielt die Musik.“
Nun war die Antilope wieder an der Reihe: „Du bist der König, du bist verantwortlich für die anderen.“
„Vergiss die Verantwortung!“, höhnte die Hyäne. „Du bist dein eigener Herr. Mach es dir gemütlich! Nur keinen Stress. Lass dir die Sonne auf den Pelz brennen!“
Der Löwe schaute nach links, dann nach rechts und wieder nach links. Plötzlich kletterte die anmutige Antilope auf die andere Schulter des Löwen. Noch ehe die Hyäne wusste, wie ihr geschah, trat ihr die Antilope derart in den Hintern, dass sie auf den Boden fiel wie ein wurmstichiger Apfel.
„Das war unfair!“, schrie die Hyäne und vergaß sogar zu lachen.
Diese Runde hatte die Hyäne verloren. Und halten wir fest: Manchmal gibt es nichts Besseres als einen Tritt in den Hintern.

Der Löwe hatte sich entschieden. Seine Neugier zu erfahren, wie es wohl sei weiter im Norden auf dem Kontinent, den man jetzt Europa nannte oder im Osten in Asien oder Australien, siegte über seine Bequemlichkeit. Das glaubte er zumindest. Doch eigentlich entschied er sich nur für die Reise, weil die Antilope über die Hyäne, zumindest dieses eine Mal, gewonnen hatte. Aber lassen wir den Löwen in seinem Glauben, denn er freute sich über sich und seine neu gewonnene Aktivität.
Weil er sich selbst gut kannte und einen Rückfall in seine Bequemlichkeit befürchtete, machte sich der Löwe kurzerhand auf den Weg nach Norden. Auf dem Weg dorthin widerfuhren ihm merkwürdige Dinge: Riesige Herden von Hirschen, Rentieren und Bisons kamen ihm entgegen und hetzten in Richtung Süden zum Kap der Guten Hoffnung.
„Was ist denn mit euch los?“, fragte der Löwe eine Herde von Büffeln, die  an ihm vorüber stob.
„Wir wollen uns die anderen Kontinente anschauen, bevor wir nicht mehr hinüberspringen können. Damit wir mal da waren. Für Afrika haben wir zwei Tage eingeplant, Asien reißen wir in drei Tagen herunter, Australien in eineinhalb. Nichts für ungut. Die Zeit ruft. Wir müssen!“
Die Herden schienen so wenig Zeit zu haben, dass sie sich noch nicht einmal gebührend von ihrem König verabschieden konnten. Zurück blieb eine mächtige Staubwolke, dass sich der Löwe sein großes Taschentuch vor die Nase halten musste. Ansonsten hätte er mit Sicherheit kräftig niesen müssen.
So marschierte er tapfer und mäßig schnell weiter in Richtung Europa. Noch ehe er das nördliche Ende von Afrika erreicht hatte, überholte ihn die Herde Büffel, mit der er sich vor zwei Tagen unterhalten hatte, und wirbelte dabei wieder eine Menge Staub auf. Es gab viel Staub in Nordafrika, und der Löwe stand mittendrin und schüttelte seinen Königskopf.
Als er die Küste schließlich erreichte, konnte er in der Ferne die Herde erkennen, die sich schon auf dem Weg nach Asien befand.

Afrika und Europa waren nur gut einen Meter voneinander entfernt. Dazwischen plätscherte das Meer. Und weil das Wasser damals nur mittel tief war, nannte man es das Mittelmeer. Kurz bevor der Löwe mit einem zugegebenermaßen kleinen Hopser den Kontinent wechseln wollte, sah er eine Zwergmaus, die ihn mit erhobener Pfote zum Anhalten aufforderte. Zum Glück hatte der Löwe gute Augen, sonst hätte er die Zwergmaus wohl übersehen und wäre vielleicht sogar drauf getreten. Denn für Zwergmäuse sehen selbst normale Zwerge wie Riesen aus, so klein sind die.
„Kannst du mich mitnehmen? Ich möchte auf die andere Seite!“, fragte die Maus mit ungewöhnlich tiefer Stimme.
„Wie heißt das Zauberwort?“, antwortete der Löwe.
„Sofort!“, sagte die Maus und lachte. „Nee, ich kenne es: bitte, bitte, bitte, bitte!“
Der Löwe wies mit seinem Kopf auf seinen Rücken. Die Maus kletterte das hintere linke Bein hinauf. Für den Löwen fühlte es sich an, als krabbelte ein Käfer über seinen Körper. Oben angekommen krallte sich die Zwergmaus dann auf dem Rücken sitzend am Fell des Löwen fest. Aber der merkte gar nichts von ihr, weil sie so leicht war wie eine mittelgroße Feder. Mit einem einfachen Satz ohne Punkt und Komma sprang der Löwe aus dem Stand nach Europa. Die Maus klatschte Applaus.
„Das war ein sehr ordentlicher Sprung, lieber, lieber…..Wer bist du eigentlich?“
„Ich bin der Löwe“, sagte der Löwe, ohne zu lügen.
„Dann bist du ja mein König!?“ Die Maus war baff erstaunt.
„Jawoll ja!“, sagte der Löwe. Dann erinnerte er sich seiner königlichen Pflichten, dass man sich als Oberhaupt gewählter ausdrücken muss, als es normale Tiere tun. Deshalb verbesserte er sich rasch: „Jawohl, du hast Recht. Und du bist eine Zwergmaus. Das sehe ich. Aber was willst du in Europa?“
„Ich möchte wieder zurück zu meiner Familie. Afrika ist zwar ganz schön, aber es gibt zuviel Staub.“
„Zuviel Staub“, wiederholte der Löwe.
„Ja, zuviel Staub.“
 „Soll ich dich noch ein Stück mitnehmen?“, fragte der Löwe schließlich.
„Nein danke, den Rest schaffe ich schon. Mein Loch ist hier gleich um die Ecke.“
„Komm schon! Ich bring dich schnell nach Hause, wo du schon mal auf meinem Rücken sitzt“, schlug der Löwe vor und setzte sich, ohne eine Antwort der Maus abzuwarten, in Bewegung. Dann brachte er die Maus um die Ecke, direkt zum Eingang ihres Familienmauselochs. Mit einem wagemutigen Satz sprang die Maus auf den Boden. Der Löwe pfiff anerkennend. Die Maus war stolz über das Kompliment.
„Wohin willst du denn jetzt gehen? Du kennst dich doch bei uns in Europa überhaupt nicht aus?“
„Ich werde mal hierhin und mal dorthin gehen, wie eine Feder, die vom Wind herumgetragen wird. Weißt du, irgendwann werde auch ich nicht mehr so einfach von Afrika nach Europa springen können, wenn die beiden Kontinente zu weit voneinander entfernt liegen“, erläuterte der Löwe seinen Plan. „Außerdem wollte ich einmal alle Tiere gesehen haben, die es so gibt. Ich bin ja schließlich der König aller Tiere!“
„Und wirst du dann wieder zurück nach Afrika zurückgehen?“
„Mal schauen. Ich bleibe da, wo es mir am besten gefällt.“
„Viel Glück, mein König. Ich wünsch dir alles Gute!“, sagte die Zwergmaus und verschwand in ihrem Zwergmausloch.
Der Löwe schaute sich in Europa um und überlegte, ob er es sich vorstellen könnte, hier zu leben.
„Hmmm“, dachte er und während er das noch dachte, wurde sein Kopf von dieser schwierig zu beantwortenden Frage so schwer, dass er zusammen mit dem ganzen Löwen auf den Boden fiel. Da lag er nun, der Löwe mit seinem schweren, müden Kopf und schlief irgendwo im Süden Europas neben dem Eingang zu einem Zwergmauseloch ein.“

„Jetzt geht es mir wie dem Löwen. Ich bin löwenmüde. Schluss für heute.“
„Wie geht es denn weiter?“, fragte Felix neugierig. Jan sagte nichts, weil er wusste, dass Hans sowieso nicht weiter erzählen würde.
„Das erfährst du beim nächsten Mal. Aber ich habe eine Idee, was ihr beide noch machen könnt.“
Die Idee lag auf der Hand.
Jan und Felix begannen, Hans zu kraulen, bis alle Drei, von der Geschichte und vom Kraulen müde, einschliefen. Bei so viel Müdigkeit hatte nämlich auch der Mond, der Angeber, nicht mehr genug Kraft.